Kolleg Europa: Nachhaltige Netzwerke für wissenschaftlichen Nachwuchs

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Aslan Tsetskhladze im Münchener Olympiapark: "Als Volkswirt beschäftigen mich natürlich auch gesamtgesellschaftliche Fragen"

Seit Kurzem bringt das studienbegleitende, interdisziplinäre Kolleg Europa wieder junge Leute zum Austausch zusammen: Neben Studierenden und Doktoranden an den DAAD-geförderten Zentren für Deutschland- und Europastudien nehmen Stipendiaten der Studienstiftung des Deutschen Volkes sowie Stipendiaten aus dem DAAD-Auslandsschulprogramm teil. Letzteren wird die Teilnahme am Kolleg Europa nach einem gesonderten Bewerbungs- und Auswahlverfahren durch die Förderung der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. ermöglicht. Zu dieser Gruppe zählt auch der 22-jährige Georgier Aslan Tsetskhladze, der seine Eindrücke über die erste Kollegphase im Interview mit DAAD Aktuell schildert.

Aslan Tsetskhladze ist Absolvent der PASCH-Schule EURO-2000 im georgischen Batumi. Aufgrund seiner hervorragenden Leistungen erhielt er im Rahmen des DAAD-Auslandsschulprogramms ein Stipendium sowohl für ein Bachelor- als auch für ein Masterstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München, an der er seit 2015 im Fach Volkswirtschaftslehre studiert. Zudem hat er sich erfolgreich um die Teilnahme am Kolleg Europa beworben.

Herr Tsetskhladze, im Oktober 2018 trafen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kolleg Europa zur ersten Präsenzphase in Weimar. Wie hat sie Ihnen gefallen?

Aslan Tsetskhladze: Sehr gut. Ich konnte mit Studierenden und Forschenden aus Deutschland und aus anderen Ländern über spannende Fragen diskutiert. Darüber hinaus habe ich Weimar kennengelernt – auch die Gedenkstätte im ehemaligen KZ Buchenwald, ein prägendes Erlebnis. Wir haben eine Exkursion zum Europäischen Informations-Zentrum Thüringen in Erfurt gemacht. Dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben uns erklärt, wie sie die EU den Bürgern näherbringen. Jede Präsenzphase des Kolleg Europa führt übrigens in eine andere Stadt, sodass ich bis zum Abschluss des Kollegs im Frühjahr 2020 auch nach Prag, Tunis und Brüssel reisen werde.

Warum ins nordafrikanische Tunis?

Die Organisatoren wollen die Grenzen des Programms ausdehnen und in Tunesien zum Beispiel auf ein Thema eingehen, das Europa auch in den kommenden Jahren bewegen wird: die anhaltende Migration aus Afrika.

Ging es schon in Weimar um Fragen der Migration?

Ja, wir haben unter anderem darüber gesprochen, wie Europa früher seine Grenzen definiert hat – und wie es zu der heutigen Flüchtlingskrise und den dazugehörigen Debatten gekommen ist. Ich gehörte in Weimar allerdings zu einer Gruppe, die sich anderen historischen Themen gewidmet hat. Wir haben Texte gelesen und in Workshops über Fragen diskutiert wie: Welche Ideen von Europa hatten Goethe und Schiller? Welche Pläne für Europa gab es in den 1920er-Jahren? Welche Konzepte waren aktuell, als 1951 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet wurde? Beim nächsten Treffen des Kolleg Europa in Prag im März 2019 werden wir uns mit dem Prozedere beschäftigen, nach dem die EU seit dem Wendejahr 1989 osteuropäischen Ländern eine Partnerschaft angeboten und sie als Mitglieder aufgenommen hat.

Sie wollen eine wissenschaftliche Laufbahn als Volkswirt einschlagen. Warum interessieren Sie sich für die genannten Themen?

Während meines Bachelorstudiums habe ich mich kaum mit Texten der europäischen Geistesgeschichte auseinandergesetzt. Als Teilnehmer des Kollegs kann ich diese Wissenslücke nun schließen und auch die Perspektiven von Menschen aus anderen Fachbereichen und anderen Ländern kennenlernen. Mir wird vermittelt, wie man solche Texte analysiert und Schlussfolgerungen aus ihnen zieht. Als Volkswirt beschäftigen mich natürlich auch gesamtgesellschaftliche Fragen: Wie können wir Europa so gestalten, dass alle Bürger sich darin wohlfühlen und sich mit ihren Ideen einbringen können? Das finde ich spannend, da mein Heimatland Georgien, das bislang nicht zur EU gehört, sich künftig stärker an Europa annähern will.

Das Kolleg Europa bietet die Möglichkeit, Netzwerke zu knüpfen.

Das stimmt. Mir gefällt, dass ich mich über meinen Fachbereich hinaus mit Menschen austauschen kann. Ich bekomme Tipps von ihnen, erfahre, welche Universitäten sie gut finden und warum. Wir unterhalten uns darüber, welche Institutionen in Europa für welche Themen zuständig sind, und mit welchen Fragen wir uns an sie wenden können. Ich finde es auch immer wieder nützlich, bei solchen Treffen meine Sprachkenntnisse zu verbessern.

Sie sprechen ja hervorragend Deutsch.

Danke. In Georgien war ich auf der Schule EURO-2000 in Batumi, die zum Netzwerk „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) gehört. Das PASCH-Netzwerk verbindet weltweit 1.800 Schulen mit intensivem Deutschunterricht. Mit 18 Jahren hatte ich das Deutsch-Niveau C1 erreicht. Damit konnte ich mich beim DAAD für ein Vollstipendium bewerben und schließlich auch für das Kolleg Europa.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

In meinem Bachelorstudium habe ich mich auf politische Ökonomie, Makroökonomie und Staatsökonomie spezialisiert. Mich interessieren zum Beispiel die Wechselkurse und welche theoretischen Grundlagen Steuer- und Rentensysteme haben – und wie man beide Themenfelder künftig gestalten kann. Mit diesen und ähnlichen Fragen werde ich mich während meines Masterstudiums weiter beschäftigen – auch als studentischer Mitarbeiter des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Ich fühle mich sehr wohl in München. Meine Mitstudenten sind sehr freundlich und machen es mir leicht, mich zu integrieren. Trotzdem plane ich, später nach Georgien zurückzukehren und dort die Zukunft meines Heimatlandes mitzugestalten.

Interview: Josefine Janert (16. November 2018)

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